Die im Dunkeln sieht man nicht…oder nur selten

Hallo Ihr Lieben.

Das römische Geschichtsschreiber nicht immer gut als Quellen für Tatsachen herhalten können, wissen wir mitlerweile. So auch diese Behauptung von Plinius dem Älteren über diesen, meinen Monatsvogel.

Dieser Vogel hat nämlich  besondere Fähigkeiten, unter anderem kann er, wie der Falke, im Flug rütteln und somit in der Luft „stehen“. So fixiert er seine Beute, vielleicht einen Nachtfalter, und fängt sie mit dem großen Schnabel, wie mit einem Käscher. Seine große Flügelspannweite (52-59cm) und sein breitgefächerte Schwanz helfen ihm dabei und lassen ihn auch da fast wie einen Falken aussehen. Nur seine hellen Schwanz- und Flügelspitzen leuchten im Dämmerlicht. Seine Beine sind passenderweise kurz.

Er startet eher in Bodennähe und weil es in Tiernähe oft viele Insekten gibt, haben ihn die Menschen wohl dabei beobachtet, wie er „unter den Ziegen und Schafen rüttelte und ihre Milch trank, sie womöglich gar vergiftete“. So ähnlich schilderte es schon besagter Geschichtsschreiber. Und so bekam diese Nachtschwalbe ihren Namen: Ziegenmelker

Leider habe ich diesen Vogel noch nie gesehen. Das mag daran liegen, dass ich nicht gerade in der Nähe seiner Lieblingsstätten lebe/gelebt habe, vor allem aber auch, weil er gut getarnt ist und leider auch sehr selten.

Er braucht warme, offene Landschaft mit lockerm Baumbestand, wie Moore oder sehr gerne Heide. Für sein Gelege am Boden sucht er sich bewuchsfreie Stellen, die aber nicht in der prallen Sonne sein dürfen. Tagsüber ruht der Vogel, dessen Gefieder an eine Baumrinde erinnert, am liebsten genau da: auf einem Ast, sich so an ihn schmiegend, dass er mit ihm fast verschmilzt. Auch am Boden harrt er gut getarnt aus, selbst wenn Gefahr droht, ganz im Vertrauen auf sein Tarnkleid. Erst kurz vor knapp fliegt er auf.

Auf der Welt gibt es etwa 90 Arten (die Zahlen differieren leider bei den verschiedenen Quellen)  dieser Familie, der Schwalmen. Zwei davon sind in Europa beheimatet, eine in Deutschland (Europäischer Ziehenmelker). Sie sind eng mit Seglern und Kolibris verwand. (Insgesamt fand ich, scheint der Vogel bei uns nicht so gut dokumentiert)

aus „Vogelbilder“ von O. Rudbeck d.J. (keine Werbung)
Skizzen für mögliche Schnitzereien

Ein weiterer Grund, dass wir den Vogel wohl noch nie gesehen haben: er ist nachtaktiv. Wie die Fledermaus jagd er Insekten in der Dämmerung und der Nacht. Seine großen, dunklen Augen verraten es. Und er ist ein sehr schneller, wendiger Flugkünstler. Sein wirklich großer Schnabel mit langen Federborsten ist perfekt zum Insektenfangen. Im geschlossenen Zustand sieht man allerdings nur eine sehr kleine Schnabelspitze.

Nach dem sein (bis zu) 9 minütiges „ruurrrrrr“, nur einmal kurz unterbrochen von einem einzelnen, helleren „fiorr“ und/oder Flügelschlag, ein Weibchen angelockt hat, werden zwei Eier gelegt. Nur eine kleine Mulde am Boden ist die Kinderstube, der nach etwa 18 Tagen recht weit entwickelte Küken entschlüpfen. Diese können schon etwas laufen und folgen dem Schatten um nicht in der Sonne zu überhitzen. Auch hudert sie das Weibchen die ersten drei Tage. Die Futterabgabe erfolgt nicht über einzelne Insekten, sondern mit einem Futterball, welcher vom Elternteil hochgewürgt wird. Die Übergabe kann bis zu zehn Sekunden dauern. Etwa 10 Bälle bekommt ein Küken pro Tag, darin sind bis zu 150 Insekten. Nach drei Tagen füttern beide Elternteile. Die Küken entwickeln sich recht schnell. Mit 14 Tagen beginnen sie mit Flugübungen und nach etwa 5 Wochen ziehen sie selbständig in die nähere Umgebung. Übrigens könnte man das „Aufzuchtgebiet“ anhand der rundum ausgelegten, hellen Speiballen (ähnlich dem Gewöll von Raubvögeln) erkennen. Aber auch dieser Waldbewohner, gerade als Bodenbrüter, würde durch Menschen, die abseits der Wege rumstromern, empfindlich gestört werden.

Seit dem 19. Jahrhundert geht der Bestand dieser interessanten Vögel stetig zurück. Ungestörte große Lichtungen mit Baumbestand (gerne Kiefernwald) finden sich oft nur noch auf Truppenübungsplätzen und in Naturschutzgebieten. Auch der Rückgang an Insekten ist natürlich für ihn nicht gut, Straßen werden dem Vogel aus dem gleichen Grund wie beim Igel zum Verhängnis. (Wärme zieht Insekten und damit deren Räuber an). Und wir Menschen gehen (fahren) schon lange nicht mehr nur die vorgeschriebenen Waldwege, lassen unsere Hunde frei laufen.

Zeichnung und Notizen Ziehenmelker

Im Mai kommt dieser Zugvogel aus Afrika zu uns zurück. Im September fliegen sie zurück. Zu gern würde ich seinen andauernden, nächtlichen Dauerruf mal hören. Auch wenn sein „kauziges Aussehen“, seine Lebensweise ihm einen unheimlichen Anschein verpasst haben (er kommt auch in den Horrorgeschichten von Lovecraft vor), finde ich ihn ganz und gar nicht unheimlich. Wenn er seinen großen Schnabel aufreißt, sieht er für mich eher wie ein Drache aus. Sein braungeflecktes Tarnkleid ist perfekt und die Form seiner Augen (leicht quadratisch angeordnete Lider um eine große, schwarze Iris) ganz besonders. Im Ruhestand sind diese zu geschwungenen Schlitzen geschlossen. Das Männchen hat die hellen Flecken an Schwanz und Flügel und eine braune Kehle, das Weibchen einen hellen Kinnfleck. Übrigens mag ich den englischen Namen „Nightjar“ lieber, ich finde, er passt viel besser. („jar“ heißt nicht nur „Krug, Glas“ sondern auch das Geräusch „tut den Ohren weh“ und auch „Erschütterung, heftig rüttelnde Bewegung“)

Ich hoffe, Ihr konntet bis hier durchhalten. Es würde mich interessieren, ob jemand diesen Vogel schon mal gehört oder gesehen hat.

Verlinkt bei Andrea Zitronenfalterin, die Gastgeberin des Jahresprojektes und dem Creativsalat, sowie DvD und dem Freutag

(PS, die Bilder sind im Urlaub mit nur wenigen, verfügbaren Buntstiften und Bleistiften gemalt worden)

25 Gedanken zu “Die im Dunkeln sieht man nicht…oder nur selten

  1. Spannend! Außer dem Namen war mir über diesen Vogel nichts bekannt. Es wäre zu schön, ihn mal zu sehen. Schön auch deine Skizzen. Bin schon gespannt auf die nächsten Stempel! So, ist schon spät. Ein andermal mehr. LG

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    1. In der Lüneburger Heide hättest Du vielleicht eine Chance. Zu gern würde ich auch einen mal sehen oder hören.
      Gerade lähmt mich etwas die Hitze und die Zeitnot 😉 von wg kreativ werkeln.
      Liebe Grüße zurück und Danke
      Nina

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  2. Liebe Nina,
    sehr interessant und wieder ein ganz neuer Vogel, den ich noch nicht kannte. Bei dir lerne ich immer wahnsinnig viel über die Natur und viele verschiedene Tiere, das mag ich sehr. Der Post kann also nicht lang genug sein :0) Heidelandschaften wäre bei uns ja ideal für den Nachtschwärmer….schade, das so viele Arten am aussterben sind, wo man sie oft noch nicht mal kennt :0( …ganz LG aus Dänemark, Ulrike :0)

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    1. Ja, der Mensch nimmt eben Platz ein. Freut mich aber, dass es Dir wieder gefällt. Ich lerne so auch jedes Mal etwas, wenn ich die Infos zusammenkratzen 😊
      Danke Dir auch und liebe Grüße zurück zu Dir
      Nina

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  3. Du hast mein Interesse mal wieder geweckt, Nina. Nun sitze ich hier und kann es kaum abwarten mal wieder in den Kiefernwald etwas weiter weg zu gehen um gegen Abend die Nachtschwalbe zu suchen! Was für ein wunderbarer Beitrag! Die großen Augen sind wirklich ungewöhnlich, aber für seine Futtersuche unumgänglich! Danke für den tollen Beitrag – ich liebe es Deinen Blick auf die Federlinge zu folgen. Herzlichst, Nicole

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    1. Dankeschön, freut mich ☺️. In NRW kommen sie wohl noch seltener vor, aber ich drücke Dir alle Daumen und dicken Eumels! 🤞
      Schau, dass es eine Lichtung ist, wo Du Ausschau hälst, bzw nach ihr hörst.
      Liebe Grüße von hier zurück zu Dir
      Nina

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  4. Vom Ziegenmelker hatte ich schon gehört bzw. gelesen. Das war dann aber auch schon alles. Jedenfalls ein auffälliger Name für einen kleinen Vogel. Nightjar klingt aber auch gut. Danke für die vielfältigen Informationen, ich habe einiges gelernt beim Lesen.
    LG heike

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    1. Freut mich, dass es Dir gefallen hat. Mir ist es ähnlich ergangen. Ich wußte gerade mal, dass der Vogel nicht die Tiere belästigt, sondern dort im Dunkeln Insekten fängt.
      Danke Dir auch und sende liebe Grüße zurück
      Nina

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  5. Danke für diese Informationen über einen interessanten Vogel.
    Ich überlege, ob ich nicht einmal einen Spaziergang in der Dämmerung zu den Ziegen meiner Freundin machen sollte. Die halten die Flächen im Hecken- und Schlehengäu frei und das Gelände müsste für Ziegenmelker passen. Wahrscheinlich sind sie, wenn überhaupt, nur an ihren Stimmen zu erkennen, während ich Futter für die Stechmücken bin.
    Liebe Grüße,
    Karin

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    1. Freut mich, in zweifacher Hinsicht. Dass Du es interessant fandest und vielleicht die Möglichkeit hast… Gegen Insekten gibt es was, was Du auf Kleidung (nicht Haut!) sprühen kannst. Ohne gehen wir zB nicht im Wald arbeiten.
      Vielleicht hat Deine Freundin den Vogelruf ja auch schon mal gehört. Vorkommen im südlichen Deutschland gibt es noch.
      Danke Dir auch und liebe Sonntagsgrüsse zurück
      Nina

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  6. Liebe Nina,
    vielen Dank für diesen tollen Post! Ich habe wieder einiges gelernt, über einen mir bisher unbekannten Vogel. Deine Zeichnungen sind sehr schön und gelungen!
    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag!
    Ingrid

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  7. Liebe Nina,
    auch ich hab den Ziegenmelker noch nie gesehen und hier viel über ihn gelernt!
    Lustig, dass du an Drachen denken musst – meine Männer vergleichen alle möglichen Vögel jetzt immer öfter mit Dinos, das geht ja in die gleiche Richtung 😊
    Dir ein schönes Wochenende,
    liebe Grüße
    Nanni

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    1. Na, die Dinos waren ja auch die Vorfahren. 😀 Aber da der Schnabel zu so einem rosa Rachen aufgerissen wird, hatte ich diese Assoziation. Schön, dass dir der Beitrag trotz Dinos und Drachen gefallen hat 😀
      Liebe Grüße zurück und Danke Dir.
      Nina

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  8. Liebe Nina,
    der Name dieses seltenen nachtaktiven Vogels war mir schon bekannt, aber alle Einzelheiten, die du hier aufführst wie zum Beispiel die Namensgebung, noch nicht. Wie interessant und hoffentlich erhält sich die Population in D., gesehen oder gehört habe ich ihn bzw. der Hausherr noch nicht.
    Lieben Gruß und dir ein feines Wochenende, Marita

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  9. Liebe Nina,
    Nightjar gefällt mir auch viel besser, Ziegenmelker klingt nicht wirklich nach einem Vogel. Ein tolles Vogelporträt, informativ und lehrreich. Interessant finde ich auch die Futterabgabe an die Jungvögel. Ich kannte den Vogel bis dato gar nicht, wieder etwas dazu gelernt. Vielen lieben Dank.
    Liebe Grüße,
    Claudia

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    1. Dankeschön, so freut es mich, wenn ein doch Recht unbekannter Vogel nun bekannter geworden ist. Mich hat zwar der Name schon immer verwundert, neugierig gemacht, aber ich habe auch erst beim Schreiben viel gelernt
      Liebe Grüße zurück zu Dir
      Nina

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